10/10/2024

Ethos analysierte die Nachhaltigkeitsberichte der 140 in der Schweiz börsenkotierten Unternehmen, die einen solchen Bericht ihren Aktionärinnen und Aktionären zur Abstimmung vorlegen mussten. Die Ergebnisse waren eindeutig unbefriedigend. Die Analyse zeigte grosse Unterschiede zwischen den Unternehmen und erhebliche Lücken in den veröffentlichten Berichten. Ethos unterstützt deshalb das Vorhaben des Bundesrats, die gesetzlichen Anforderungen in diesem Bereich zu verschärfen.

Wie jedes Jahr setzt die Generalversammlung (GV) von Dormakaba, die diesen Donnerstag in Zürich stattfindet, symbolisch den Schlusspunkt der GV-Saison. Von den im SPI-Index enthaltenen Unternehmen muss nur noch Barry Callebaut sein Aktionariat bis am Jahrsende versammeln. Mit der Veröffentlichung einer Studie zieht Ethos Bilanz über ein Jahr, das nicht ganz wie die anderen war: Denn zum ersten Mal mussten börsenkotierte Unternehmen ab einer gewissen Grösse ihren Nachhaltigkeitsbericht nicht nur veröffentlichen, sondern auch ihren Aktionärinnen und Aktionären zur Abstimmung vorlegen.

Diese neue Pflicht wurde gesetzlich eingeführt. Sie soll den Anlegerinnen und Anlegern ein besseres Bild geben über den Umgang der Unternehmen mit den Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG). Mithilfe dieser Informationen können sie dann ihre Investitionen in die gewünschte Richtung lenken. 

Ethos gibt ihren Kundinnen und Kunden (mehrheitlich Pensionskassen) Stimmempfehlungen für sämtliche GVs der in der Schweiz kotierten Unternehmen ab. Daher analysierte sie den Transparenzgrad, aber auch die Qualität der veröffentlichten Informationen und Daten. Das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend.

Erstens: Dieses Jahr veröffentlichten nur 75 der 143 berichtspflichtigen Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht gemäss einem international anerkannten Standard (GRI, SASB oder ESRS). Die Einhaltung eines anerkannten Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal, da dies den Vergleich zwischen Unternehmen und die Beurteilung der nicht-finanziellen Leistung ermöglicht.

Zweitens, und das ist ebenso problematisch, haben nur 61 Unternehmen ihren Nachhaltigkeitsbericht von einem externen und unabhängigen Prüfer überprüfen lassen. Davon haben 55 nur einen Teil der veröffentlichten ESG-Indikatoren und nicht den gesamten Bericht der Prüfung unterziehen lassen.

Was die Daten selbst betrifft, so haben nur eine Minderheit der SPI-Unternehmen ihre gesamten Treibhausgasemissionen veröffentlicht: 44 Prozent veröffentlichten die Emissionen ihrer Zulieferer, 15 Prozent veröffentlichten die Emissionen im Zusammenhang mit der Verwendung ihrer Produkte. Ein ebenfalls wichtiger sozialer Indikator ist die freiwillige Fluktuation von Mitarbeitenden. Er gibt Aufschluss über das soziale Klima und die Beliebtheit des Unternehmens bei den Mitarbeitenden. Diese Quote wurde von nur 26 Prozent der Unternehmen offengelegt. 

Verschärfung der Gesetzgebung gefordert

Die mangelnde Transparenz und die unzureichende Qualität der von den Unternehmen veröffentlichten ESG-Daten ist problematisch. Der Bundesrat will daher die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung verschärfen. Er will sie namentlich an die strengeren Vorschriften der Europäischen Union anpassen. Anfangs Sommers schickte er dazu einen Entwurf zur Revision des Obligationenrechts (Art. 964a-c) in die Vernehmlassung.

Die Ethos Stiftung, die sich seit über 25 Jahren für gute ESG-Praktiken bei börsenkotierten Schweizer Unternehmen einsetzt, nimmt die Veröffentlichung dieser Studie zum Anlass, ihre Anliegen auch im Rahmen der Vernehmlassung einzubringen. Ethos unterstützt explizit die Vorschläge des Bundesrats, einen Reporting-Standard sowie die externe Prüfung des Berichts verbindlich einzuführen. Für Ethos ist es aber wesentlich, dass die Prüfung den gesamten Bericht einschliesst.

Ethos befürwortet auch die Ausweitung der Berichterstattungspflicht auf alle kotierten Unternehmen. Denn wie die Ergebnisse dieser Studie zeigen, waren dieses Jahr nur zwei Drittel der Unternehmen des SPI betroffen. Das ist für Unternehmen von öffentlichem Interesse nicht genügend. Schliesslich fordert Ethos, dass der verbindliche Charakter der Abstimmung über den Nachhaltigkeitsbericht gestärkt wird. In diesem Bereich sollte das Gesetz daher ergänzt werden. Es muss die Konsequenzen einer Ablehnung durch die GV präzisieren. So soll eine Ablehnung im Bericht festgehalten werden müssen und der Verwaltungsrat verpflichtet werden, seine wichtigsten Aktionärinnen und Aktionäre im Fall eine Ablehnung zu konsultieren.

Vergütungen und Widerstand steigen

Die von Ethos veröffentlichte Studie befasst sich nicht nur mit Nachhaltigkeitsberichten. Drei weitere Kapitel befassen sich mit den wichtigsten Abstimmungsergebnissen an den GVs der SPI-Unternehmen, den Vergütungen der Führungsinstanzen und der Zusammensetzung der Verwaltungsräte.

Die Studie zeigt insbesondere, dass die Vergütungen der SMI-Führungskräfte seit 2021 und dem Ende der Covid-Pandemie deutlich gestiegen sind. So erhielten die Führungskräfte der zwanzig grössten Kapitalisierungen der Schweizer Börse im Jahr 2023 durchschnittlich acht Millionen Franken, gegenüber 6,4 Millionen Franken im Jahr 2020. Dieser Anstieg ist insbesondere auf die Vergütung von Sergio Ermotti zurückzuführen, der 2023 14,5 Millionen Franken für neun Monate Tätigkeit als CEO von UBS erhielt.

Diese Erhöhung war nicht bei allen Aktionärinnen und Aktionären beliebt. So wurden die Vergütungsberichte der SPI-Unternehmen im Durchschnitt nur in diesem Jahr mit 85 Prozent der Stimmen genehmigt, während 2023 86 Prozent dafür stimmten. Bei den SMI-Unternehmen sinkt diese Quote sogar auf 82 Prozent, ein Rekordwert an Opposition.

Die Nachhaltigkeitsberichte ihrerseits wurden durchschnittlich mit 97 Prozent genehmigt. Ethos hingegen genehmigte nur 46 Prozent dieser Berichte aufgrund mangelnder Transparenz und ungenügender Qualität. Dieser Unterschied erklärt sich mit fehlender Erfahrung der Investorinnen und Investoren und dem Arbeits- und Zeitaufwand für die Analyse von Nachhaltigkeitsberichten. Ethos hofft, dass mit der regulatorischen Verschärfung und der Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichte die Aktionärinnen und Aktionäre die Nachhaltigkeitsperformance der Unternehmen in Zukunft besser beurteilen sowie effektiveren Druck auf die diesbezüglich weniger leistungsfähigen Unternehmen ausüben können.

Link zur Studie

Link zum Positionspapier von Ethos

Nachricht
Generalversammlungen
Nachhaltige Entwicklung
Unternehmensführung
Vergütung